Das Hönnetal ist mit über 100 Höhlen das höhlenreichste Tal Deutschlands. Doch nicht nur die bloße Menge an Höhlen macht dieses Tal einzigartig, auch die Bedeutung der Höhlen ist herausragend. Das erkannten Wissenschaftler schon früh. Nur wenig nach der Entdeckung der ersten Knochen des Neandertalers (1856 durch Johann Carl Fuhlrott) im namensgebenden Neandertal bei Düsseldorf, gab es einen regelrechten Run auf die Höhlen des Sauerlands. In zahlreichen Höhlen wurden die Wissenschaftler fündig und brachten so manchen prähistorischen Schatz ans Tageslicht.
Eine der ersten Höhlen im Hönnetal in denen Ausgrabungen stattfanden war die Balver Höhle. Weit über Balve hinaus bekannt und schon seit 1644 auf Landkarten verzeichnet, ist sie die wohl bekannteste der Hönnetalhöhlen. Diesem Ruf hatte es die Höhle zu verdanken, dass schon 1843 durch die Bergämter Bonn und Siegen erste Schürfungen unternommen wurden. Eine erste richtige Grabung wurde 1844 aufgenommen, durch Noeggerath. Nach 1856 gab es einen Ansturm auf die Balver Höhle. Jeder Geologe, Archäologe, Historiker, Biologe oder wer sich gerade dazu berufen fühlte, kam nach Balve um in der Höhle zu graben. Jeder grub für sich und suchte nur nach für ihn und sein Fachgebiet spezifischen Knochen oder Steinen. Oft wurden auch ausgegrabene Funde an private Sammler verkauft, die damals gutes Geld für derlei Fundstücke zahlten. Der Schaden, der durch unwissenschaftliche Grabungen und den Verkauf von Fundstücken entstanden ist, war immens und endgültig.
Wissenschaftliche Ausgrabungen von renommierten Wissenschaftlern gab es aber auch, und diese wurden auch ordentlich dokumentiert. 1870 grub Rudolf Virchow im linken Arm der Balver Höhle. Ein Jahr später untersuchte Heinrich von Dechen die Sedimente des rechten Arms. Auch Johann Carl Fuhlrott soll im Hönnetal und seinen Höhlen gewesen sein, jedoch gibt es keine genaueren Aufzeichnungen über eventuelle Grabungen in der Balver Höhle. Eine groß angelegte wissenschaftliche Grabung fand 1920 durch den Geologen Julius Andree statt.
Die erste Grabung, deren Ergebnisse noch heute verwertbar sind, wurde 1938 durch Bernhard Bahnschulte durchgeführt. Diese sind zwar nicht vollständig mit heutigen Standards vergleichbar, aber immerhin sind die Ergebnisse überprüfbar. Eine solche Überprüfung fand in den 1950iger Jahren statt durch Klaus Günther. Die letzte Grabung, und auch die mit den höchsten Standards, wurde durch Prof. Michael Baales vom damaligen Westfälischen Amt für Bodendenkmalpflege – Außenstelle Olpe durchgeführt. Dabei wurde ein Schädelfragment gefunden, welches später auf ein Alter von 10.400 Jahren datiert wurde.
Trotz der Fehler, die zu Beginn der Ausgrabungen der Balver Höhle gemacht wurden, konnten doch einige wissenschaftliche Ergebnisse gewonnen werden. Erste menschliche Besiedlungsspuren stammen aus dem späten Acheuléen vor rund 100.000 Jahren. Insgesamt wurden sieben Wohnphasen in der Höhle ausgemacht, die bis ins Moustérien vor etwa 40.000 Jahren reichen. Funde aus jüngeren Schichten (Jüngere Altsteinzeit, Mittelsteinzeit bis Eisenzeit) fehlen gänzlich, da schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Sedimente als Dünger auf die umliegenden Felder geworfen wurden. Dafür wurden vor der Balver Höhle auf einer Flussterrasse der Hönne ein mittelsteinzeitlicher Fundplatz ausgemacht. Dort wurden Funde aus dem frühen Mesolithikum (9600–7000/6500 v. Chr.) gemacht.
Neben den menschlichen Überresten, wurden aber vor allem tierische Überbleibsel gefunden. Immer wieder diente die Höhle dem Höhlenbär (Ursus speläus), der Höhlenhyäne und dem Höhlenlöwen als Unterschlupf. Auch die Beutetiere von Hyänen und Löwen fanden die Wissenschaftler bei ihren Grabungen. Gefunden wurden Knochen von Wollnashörnern, Wollhaarmammuts, Hirsche und andere.
Die zweite große Höhle im Hönnetal, die Feldhofhöhle, war ebenfalls Ziel wissenschaftlicher Ausgrabungen. Bevor jedoch wirklich wissenschaftliche Ausgrabungen stattfinden konnten, wurden Anfang des 19. Jahrhunderts die Sedimente im vorderen Bereich der Höhle auf Felder in der Nähe des Guts Bäingsen verteilt als Dünger. Noch heute kann man gelegentlich Steinwerkzeuge auf den Feldern finden, wenn diese bestellt werden.
In den Sedimentresten der Feldhofhöhle wurden aber noch Spuren vom Neandertaler gefunden: aus dem späten Acheuléen vor rund 100.000 Jahre bis ins Moustérien vor etwa 40.000 Jahren. Das älteste Fundstück aus dem Hönnetal stammt aus der Feldhofhöhle. Dabei handelt es sich um einen Faustkeil der Neandertaler. Aber auch sehr junge Funde wurden gemacht, etwa aus der älteren Eisenzeit wurden Keramiken entdeckt.
Bereits 1842 gab es eine erste Ausgrabung durch von Dücker, eine weitere Grabung liess er 1867 folgen. 1862 grub von Dechen in der Feldhofhöhle. Nur zwei Jahre später, 1869 kam der Entdecker der Neandertaler, Johann Carl Fuhlrott ins Hönnetal, um in den Sedimenten der Feldhofhöhle nach Knochen zu graben. Noch im Gleichen Jahr legte er seine Funde aus der Höhle dem Naturhistorischen Verein zu Hamm vor. Darunter waren diverse Feuersteinwerkzeuge und fossile Knochen.
1870 besucht Virchow die Feldhofhöhle, gräbt jedoch nicht selber. Anders Schaaffhausen, dieser gräbt 1872 und 1875 intensiv in den hinteren Teilen der Höhle. Ihm folgt Dr. Carthaus. Dieser verkauft seine Funde allerdings an diverse Museen und private Sammler. Immerhin landen ein paar wenige Exponate im Balver Museum und ein paar andere im Handelsmuseum Dortmund.
Dann kehrt vorerst Ruhe in die Feldhofhöhle ein. Erst 1921 erwacht das wissenschaftliche Interesse erneut. Rogge nimmt den ersten Grundrissplan der Höhle auf, mit dem 4 Jahre später Andree arbeitet, während seiner Grabungskampagne. Nach 1925 liess er 1928 eine weitere Ausgrabung folgen. Diese beiden Ausgrabungen waren die ersten wirklich wissenschaftlichen Ausgrabungen in der Feldhofhöhle. Außerdem gibt es dazu auch einen ausführlichen Bericht von Andree.
Feldhofhöhlen und Balver Höhle bargen auch eine kleinere Menge Pflanzenreste, Karhof- und Burghöhle große Mengen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Getreide, welches gebrannt oder gebacken wurde. Aber auch Ackerbohnen, Ackererbsen, Linsen und Unkrautsamen wurden in den Sedimenten gefunden.
Unweit der Feldhofhöhle, nur etwa 30 m entfernt, liegt der Eingang der Friedrichshöhle. Diese wurde erstmals 1862 durch von Dechen beschrieben. Er beschreibt eine “neu aufgedeckte Kalksteinhöhle bei Klusenstein”. In seinem Bericht erwähnte er zwei Schädel des Höhlenbären.
1867 und 1869 untersuchte von Dücker die Höhle. Er führte Ausgrabungen im hinteren Teil der Höhle durch und fand dabei “eine große Menge Knochenreste und Zähne, namentlich vom Höhlenbär.” Desweiteren erwähnte er bearbeitete und angebrannte Knochen. Dies deutete von Dücker als prähistorische Müllkippe. In seinem Bericht über die Friedrichshöhle von 1869 schreibt er von einer “kleinen Öffnung, die erst erweitert werden musste.” Weiter schrieb von Dücker: “Da die Höhle keinen unteren Eingang hatte, sich viel mehr nach oben auf die Klusensteiner Höhle zieht, so vermute ich, daß dorthin eine Öffnung vorhanden war, in welche Abfälle von menschlichen Mahlzeiten hinein gerieten.” Alle weiteren Autoren übernahmen diese Aussage ohne weitere Überprüfungen. Erst in den 70iger Jahren widerlegten T. Kolarik und E. Hammerschmidt diese These durch ihre Untersuchungen und den Detailplan der Friedrichs- und Feldhofhöhle, den sie anfertigten.
Dobberstein war es, der in unmittelbarer Nähe der Friedrichs- und Feldhofhöhle einen Spalt auftat und dort anfing zu graben. Seinem Bericht zufolge stieß er auf zahlreiche fossile Tierknochen zwischen lockerem Gesteinsschutt. Auch er spricht von bearbeiteten Knochen und nimmt die These von Dückers mit dem Abfallschacht erneut auf. Seinem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass er testweise eine große Menge gefärbten Wassers in diese Spalte eingefüllt haben soll. Nach nur sieben Minuten sei dieses Wasser in der Friedrichshöhle angekommen. Ebenfalls berichtet er von ihm entgegen strömender Luft.
In den 2000er Jahren wurden diesbezüglich Untersuchungen mittels modernster Messgeräte durchgeführt durch A. + T. Kolarik und N. Brandau. Eine Verbindung in mögliche Schächte nach oben konnte bisher nicht gemacht werden, sie kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Potentielle Stellen liegen in einem Höhlenbereich hinter einer extremen Engstelle, welche derzeit nur äußerst selten bezwungen wird, da sie extrem unangenehm ist. Bei den Höhlenteilen hinter dieser Engstelle, kann es sich jedoch nicht um eine Stelle handeln, an der Dobberstein sein gefäbrtes Wasser wiedergefunden hat, denn diese Höhlenteile wurden erst Ende der70iger Jahre entdeckt, als Dobberstein seine Grabung schon längst abgeschlossen hatte und die Friedrichshöhlen bereits mit einem Verschluss gesichert war.
In den zu Dobbersteins Zeiten zugänglichen Teilen der Höhle gibt es keine gangbare Verbindung nach oben. Weder der durch von Dücker postulierte Abfallschacht, noch die Behauptung von Dobberstein liesen sich nachvollziehen.
Die dritte bedeutende Kulturhöhle im Hönnetal ist die Burghöhle. Sie liegt unweit der Feldhofhöhle im Klusenstein, unterhalb der Klusensteiner Burg. Bereits 1869 wurde die Burghöhle von Johann Carl Fuhlrott besucht und beschrieben. Im gleichen Jahr war auch der Bergingenieur Beuther vor Ort. Beide legten kleine Schurfe an und bargen einige wenige Funde. 1891 grub Emil Carthaus in der Höhle und machte einige Funde. Danach kam die Höhle zunächst zur Ruhe, ehe 1925 Glunzsch eine Ausgrabung durchführte. Von dieser Grabung gibt es einen guten Grabungsbericht, angefertigt von Wilhelm Dortmann 1925. Eine weitere Grabung fand 1928 durch Karl Brandt statt. Größere Grabungen führte Horst Dobberstein durch zwischen 1954 und 1971. Dabei kam eine große Zahl an Funden zu Tage. 1965 gruben auch Joachim W. Ziegler, Ernst Geßner und Gerd Richter in der Großen Burghöhle.
Insgesamt wurden über 5.000 Fundstücke aus der Großen Burghöhle geborgen, aus verschiedenen Epochen. Die bedeutensten Funde stammen alle aus der Bronzezeit. Neben Irdenwaren und Pfeilspitzen, wurden Fiebeln und Bronzeohrringe mit Glas- oder Bernsteinperlen gefunden. Ein besonderer Fund ist eine Bronzeente der Hallstattkultur. Diese Ente ist heute im Wasserschloss Werdringen in Hagen ausgestellt.
Am südlichen Ortseingang von Volkringhausen gelegen, befindet sich die Feldhofer Kapelle, auch Volkringhauser Höhle genannt. Dabei handelt es sich eher um einen Abri, als um eine Höhle. Unter diesem Felsüberhang wurden ebenfalls Ausgrabungen durchgeführt. Dabei wurden Steinwerkzeuge aus dem Mittelpläolitikum und typische Steinwerkzeuge aus dem frühen Jungpaläolitikum gefunden.
In einem Seitental des Hönnetals, dem Grübecketal, wurde bei Steinbrucharbeiten die Honert Höhle entdeckt. Dr. Carthaus führte dort eine erste Grabung durch. Dabei fand er Fragmente eines menschlichen Schädels, Tropfscherben und weitere fossile Knochen. 1925/26 grub auch Andree in der Höhle und konnte Überreste einer steinzeitlichen Bestattung freilegen. Außerdem fand er Keramiken aus der Eisenzeit und Kupfermünzen von 1736 und 1737.
Am Ausgang des Grübecketals gelegen befinden sich die Karhofhöhlen und die Große Burschenhöhle. In der Großen Burschenhöhle wurden in den 1920iger Jahren drei kleine Schürfe angelegt. Dabei kamen Steinwerkzeuge aus der Altsteinzeit zum Vorschein. Seit 1992 steht die Burschenhöhle unter Schutz als Bodendenkmal.
Eine weitere bedeutende Kulturhöhle des Hönnetals ist die Leichenhöhle. Sie liegt etwa auf Höhe des Binoler Bahnhofs vier Meter hoch in einer Felswand. Ein flacher Gang führt rund 20 in den Berg hinein. Durch eine schmale Engstelle gelangt man dann schließlich in einen 20 Quadratmeter großen Raum. In diesem Raum wurden insgesamt 40 Skelette gefunden.
1891 führte Emil Carthaus eine erste Grabung in der hinteren Kammer durch. Dabei fand er 20 weibliche Skelette. Erst 1926 kam es zu einer weiteren Grabung, diesmal durch Andree. Er legte dabei weitere Schädelfragmente und Schmuckstücke frei.
1938 wurde die Leichenhöhle auf Anordnung des Arnsberger Heimatmuseums ausgegraben. Grabungsleiter war damals Bahnschulte. In seinem Bericht zur Grabung nennt er die Höhle “die merkwürdigste Kulturhöhle des Hönnetals”. Bahnschulte ist auch der Meinung, dass die Toten nicht durch den Vordereingang in die Höhle gelangt sein, sondern durch einen Spalt von oben. Einen Nachweis dafür konnte er aber nicht erbringen und ihn gibt es auch bis heute nicht.
Bei den Skeletten fand man außerdem Beigaben wie Bernsteinketten, Ohrringe, Bernstein- und Glasperlen, bronzene Armringe, Bristspangen und Fibeln. Daneben fand man auch Topfscherben und Reste von Blumensamen und Getreidekörnern, die darauf hindeuten, dass man den Toten auch Lebensmittel mit ins Grab gab. Die Funde stammen alle aus der Bronze- und Eisenzeit.
Weitere Kulturhöhlen des Hönnetals sind die Haustadthöhle, die Höhlen im Hohlen Fels in Balve, die inzwischen abgebaute Kepplerhöhle und die Dahlmannhöhle bei Volkringhausen.
Die prähistorischen Funde aus dem Hönnetal belegen, dass es schon vor 100.000 Jahren Menschen im Tal gab. Damals waren es die Neandertaler, die durch die Lande streiften, inzwischen ausgestorbene Tiere jagten und in den Höhlen Unterschlupf suchten. Durch die Funde aus Bronze- und Eisenzeit lässt sich feststellen, dass es schon damals ein weitreichendes Handelsnetzwerk gegeben haben muss. Die immer wieder gefundenen Bernsteinketten und -perlen stammen aus dem Ostseeraum. Bronzene Doppelnadeln, wie z.B. die in der Großen Burghöhle gefundenen, sind typisch für Süd- und Südost-Europa. Der ebenfalls in der Burghöhle gefundene bronzene Vogel stammt vermutlich aus dem nordischen Raum.